Eine Slick SL55 im Review. Slick Guitars hatte ich persönlich vorher noch nicht wirklich auf dem Radar. Da ich aber regelmäßig von euch da draußen nach guten Einsteiger-Gitarren gefragt werde, halte ich regelmäßig die Augen offen. Und da bin ich über die SL55 gestoßen. Meine erste Reaktion: Joa, eine Tele. Die zweite Reaktion: Ah, das ist ja nett – Filtertron Pickups. Meine dritte: Oh geil, die kommt mit der kurzen Gibson-Mensur einher! Die letzte: Spannender Preispunkt – 399 €. Die muss ich mir mal genauer anschauen.
Die Highlights der Slick SL55
Ein paar meiner persönlichen Highlights habe ich schon genannt, aber ich will sie noch einmal alle kurz auflisten. Auf die Details gehe ich dann in den folgenden Abschnitten ein.
- Tele-Style
- Filtertron Pickups
- Mensur 628 mm (wie bei einer Gibson Les Paul – nicht wie bei einer Fender Telecaster)
- satinierter Hals (12 inch)
- Tilt-back Headstock
Hinter der Gitarrenmarke Slick steht übrigens ein großer Name der Gitarrenszene: Gitarrist Earl Slick wurde vor allem durch seine Arbeit mit David Bowie bekannt.
Das Holz
Klar, Die Produktdatenblätter der Slick SL55 können wir alle lesen. Da steht erstmal Sumpfesche als Holzart für den Korpus. Aber spannend zu wissen: Diese stammt lokal aus China (dort wird die Gitarre auch gebaut) – und muss daher nicht erst von anderen Kontinenten angeschifft werden. Das hilft natürlich auch in der späteren Preisfindung. Eine amerikanische Esche würde das Instrument in eine Preiskategorie bringen. Übrigens aber auch in eine andere Gewichtskategorie.
Denn das Holz der chinesischen Esche ist schwer, als der der amerikanische Esche. Und das Holz macht auch natürlich den Hauptanteil des Gewichtes aus: 4,1 kg sagt meine Waage. Nur um einige Gramm schwerer als meine Gibson Les Paul Studio. Für mich eine gewohnte Angelegenheit.
Sumpfeschen wachsen übrigens in sehr feuchten Gelände und haben im Gitarrenbau eine kleine Besonderheit: Dort wird vornehmlich das Holz verwendet, das unterhalb der Wasserlinie liegt. Ob das bei dieser Gitarre auch so ist, ist leider nicht überliefert.
Das schöne an dieser Gitarre: Das Holz ist offenporig. Also keine abschließende Lackschicht, die aufgetragen wurde. Ich persönlich finde das mega. Fühlt sich gut an, sieht gut aus. Ist aber ganz klar Geschmacksache.
Beim Hals setzt man hingegen aus Ahorn (Canadian Hard Rock Maple) sowie Jatoba beim Griffbrett.
Die Pickups
Eine Telecaster mit Filtertron-Pickups! Nice. Falls du dich gerade fragst: Filterwas? Hier eine kurze Erklärung: Filtertron Pickups sind Humbucker, welche die Firma Gretsch einst patentieren lies. Wenn man den Klang einfach beschreiben will, dann haben die Filtertron-Pickups den warmen Humbucker-Ton eines PAF und die Helligkeit und Klarheit von Single-Coils.
Diese Pickups machen die SL55 durchaus interessant. Während klassische Telecaster-Gitarren mit zwei Singlecoils (der Pickups am Hals ist übrigens meist ein Lipstick-Pickup) daher kommen, muss man Telecaster mit den Gretsch-Pickups schon eher suchen.
Was man in dieser Preiskategorie auch nicht erwarten würde: Die Pickups wurden schon in der Herstellung künstlich gealtert (mit einer Behandlung durch Magnete), um den Ton zu verändern. Neue Pickups klingen einfach anders als alte Pickups, die über Jahre oder Jahrzehnte schon viel äußeren Einfluss (Feuchtigkeit, Betrieb) auf sich nehmen mussten.
Für die Techniknerds unter euch hier noch die Widerstandswerte der Pickups: Bridge 6,6 kΩ, 6,0 kΩ. Hinweis an der Stelle: Die Widerstandswerte immer mit Vorsicht genießen. Denn Output und Leistung lassen sich daraus nicht immer direkt ableiten. Tendenziell haben die Teile aber schon gut Output.
Der Hals
Auch wenn meine Gibson Les Paul ihn nicht hat: Für mich sind satinierte Hälse das beste, was eine Gitarre haben kann. Und genau den finden wir an der Slick SL55.
Lackierte Hälse haben immer eine etwas sticky Oberfläche. Mag zwar für den einen oder anderen auf das Gitarrenspiel keinen entscheiden Einfluss haben – für mich fühlen sich lackierte Hälse aber nicht so angenehmen an.
Ebenso angenehm fühlt sich der 12-Inch-Radius an. Dicke Halsprofile sind eher nicht so mein Ding.
Wie schon erwähnt haben wir hier es mit der kürzeren Gibson-Mensur (628 mm) zu tun. Für mich fühlt sich das deutlich besser an. Und auch die Bendings gehen bei der kürzeren Mensur deutlich leichter von der Hand.
Dann finden wir da noch einen „Tilt Back Headstock“. Auch ungewöhnlich an einer Tele. Wenn du die Gitarre von der Seite anschaust, dann macht der Kopf einen Knick nach hinten. Eingeführt wurde diese Bauweise, um den Druck der Saiten im Sattel zu erhöhen. Davon verspricht man sich wohl ein besseres Sustain, bessere Intonation und eine höhere Stimmstabilität. Ich frag mich da immer: Hat das eigentlich mal jemand in einem A-B-Test verifiziert?
Tilt Back erreicht man übrigens durch eine Verbindung von zwei Holzstücken. Man sieht das auch gut auf der Rückseite des Holzes: Dort treffen zwei Holzmaserungen aufeinander. Aber keine Sorge: Hier wird im Gitarrenbau auf eine bewährte Holzverbindung gesetzt.
Der Sattel ist übrigens aus Graphit. Das ist nicht so teuer wie ein Sattel aus Knochen, aber hochwertiger als Plastik.
Und am Ende ist der Hals tele-typisch mit dem Gitarrenkörper verschraubt.
So klingt die Slick SL55
Schon unplugged wird klar, in welcher Richtung der Sound geht. Die Gitarre klingt da schon sehr direkt. Einmal eingestöpselt, „verstärkt“ (hehe) der Eindruck sich. Wir haben es hier mit einem echten Rockbrett zu tun, das knackige Klänge produziert. Während du von einer Gitarre im Les Paul-Stil fette, singende Sounds erwarten kannst, kommt hier eine Gitarre mit etwas mehr Durchsetzungsvermögen. Im Bandgefüge kannst du dich damit gut absetzen. „Cut through the mix“ sagt man hierzu gerne.
Und ganz ehrlich: Ich mag den Sound. Das kommt gut. Ein paar Einschränkungen muss man beim Sound zwar in Kauf nehmen – doch dazu weiter unten mehr.
Das Design
Ich würde flunkern, wenn ich sage, dass ich auf das Aussehen einer Gitarre beim Kauf keinen Wert lege. Klar: Der Klang und die Bespielbarkeit müssen passen. Aber danach kommt direkt das Aussehen. Und da gibt es viele Dinge, die mir gefallen. Und einige, die ich nicht so stimmig finde.
Auffällig ist auf jeden Fall das Aging. An der einen oder anderen Stelle wurde hier nochmal von Hand das Schleifpapier angesetzt und die Farbe wieder runter gemacht. So sieht jeder GItarre auch immer ein wenig anders aus. Wie bei deiner Jeans im Used-Look. Prinzipiell bin ich großer Fan von schönen Aging-GItarren. Aber: Gutes Aging kostet Geld, das sieht man auch hier wieder. In Relation zum Preis muss ich allerdings zugeben: Das ist echt gut gemacht.
Wesentlich subtiler kommt das Aging an anderen Stellen daher: Die Schrauben haben schon etwas Rost angesetzt und die Stimmmechaniken sind nicht auf Hochglanz poliert sondern machen einen schön gebrauchten Eindruck. Gefällt mir.
Auch das schon angesprochene offenporige Holz am Gitarrenkörper kommt wirklich gut. Und die einzelnen Hardware Bestandteile aus Messing (Steg, Knopf, Switch) fühlen sich echt wertig an – man denkt hier nicht, dass man eine 400 Euro Gitarre in der Hand hält. Das Volume-Poti fühlt sich mit seinem Messing echt gut an und ist wertig schwergängig, ohne dabei zu stramm zu sein. Ausgefallen ist auch, wie die Wraparound-Bridge halb in den Körper eingelassen ist. In Summe finden wir viele sehr hübsche Details an der Gitarre!
Das Problem für mich ein wenig: Die Details passen in Summe nicht ganz zusammen. Das wirkt nicht ganz so gut abgestimmt – eher zusammengestellt. Der schwarze Farbe auf dem Headstock etwa harmoniert für mein ästhetisches Empfinden nicht so wirklich gut mit der Butterscotch-Farbe des Korpus. Ist sicherlich markentechnisch beabsichtigt, funktioniert für mich aber nicht im Gesamtbild.
Aber: Das ist in der Preiskategorie jammern auf hohem Niveau. Und was weiß ich denn schon über Ästhetik? Im Großen und Ganzen gefällt mir der Look der Gitarre. Sehr außergewöhnlich für diese Preisklasse.
Insgesamt gibt es die Gitarre in 7 hübschen Farben: White, Vintage Cream, Surf Green, Black, Black Ash, Sunburst und das hier gezeigte Butterscotch Blonde.
Verarbeitung
An der Verarbeitung der Slick SL55 gibt es wenig zu meckern. Tolle Verarbeitung aller Bauteile, die Stimmung der Saiten wird gut gehalten, an Saitenlage und Intonation gibt es nichts zu meckern. Besonders positiv hat mich überrascht, wie gut die Bünde abgerichtet sind, da dies ein zeitaufwendiger Prozess ist. Vergleichbares habe ich in dieser Preiskategorie tatsächlich bisher nicht gesehen.
Selbst beim Blick unter die Haube (einfach mal den Deckel auf der Rückseite abschrauben) wurde ich positiv überrascht. Die Abschirmfarbe ist sehr gut aufgetragen und die Verkabelung macht einen ordentlichen Eindruck.
Auch sonst wackelt da kaum was, egal wo man hinfasst. Bei meiner letzten Squier von Fender (Preispunkt 320 Euro) musste ich erst einmal den Akkuschrauber auspacken, weil so viele Teile gewackelt haben. Die hatte mit drei Single-Coils und Schlagbrett zugegebenermaßen auch einige Schrauben mehr. Trotzdem fand ich das schon fast frech, was da alles gewackelt und geklappert hat. Da spielt die Slick SL55 in einer anderen Qualitäts-Liga. Und das bei dem geringen Preisunterschied.
Wermutstropfen
Wenn du dir die SL55 holst, musst du allerdings auch ein paar Abstriche in Kauf nehmen. Da sie nur einen einzigen Volume-Poti hat und komplett auf Tone-Potis verzichtet, ist sie klanglich mit ihren zwei Pickups natürlich nicht so flexibel wie eine Stratocaster. Im Elektronikfach ist aber noch gut Platz. Man kann also problemlos noch ein Tone-Poti einbauen, wenn man möchte. EIne saubere Bohrung und ein wenig Blödsinn und Lötzinn und schon bekommt jeder etwas mehr klangliche Flexibilität, der es benötigt. Aber wie oft dreht man denn wirklich am Tone-Poti?
Der Hersteller hat das Elektronikfach so bemessen, dass man problemlos ein Tone Poti einbauen kann, wenn man eins möchte. Es ist nur eine saubere Bohrung und ein wenig Lötarbeit zu leisten, dann kann man das Instrument mit einem Tone Poti „pimpen“.
Fazit
Sie klingt gut, sie spielt sich gut, sie sieht gut aus. Eine durchaus außergewöhnliche Gitarre mit tollen Eigenschaften wie der kurzen Mensur und den Filtertron-Pickups. Ein wahres Rockbrett. Kleine Abstriche muss man bei der klanglichen Variabilität machen. Dafür bekommt man für das Geld ein hervorragend verarbeitetes Instrument mit einem außergewöhnlichen Sound. Ich würde sie bedenkenlos mit auf die Bühne nehmen.
Wenn du als Anfänger auf der Suche nach deiner allerersten E-Gitarre bist und dich das Design der Gitarre anspricht, kannst du bedenkenlos zuschlagen. Als fortgeschrittener Gitarrist ist die Gitarre eine sehr gute Erweiterung, falls du bspw. schon eine Gitarre vom Typ Stratocaster oder LesPaul besitzt und auf der Suche nach einer klanglichen Erweiterung bist.